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  erste Ausgabe  
Ausgabe 01
Sommer 2004

Versuchung des Augenblicks
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Inhaltsverzeichnis

Schöngeistinhalation

  Frau Faltermeiers Blumenladen_ Isolde Ohlbaum

Themenbad

     Kunstkristall
  Malerei_ Catalina Orjuela
Fotografie_ Wolfgang Blaschke
Lyrisches und Prosaisches_
  Jana Behrend
Tanja Dion
Matthias Silze
Rosemarie Strebe
Juliette Guttmann

     Gedankenbahn
  Time, time, time_ Juliette Guttmann
Ein Beschreibungsexperiment_ Guido Saslona

     Sichtbarkeit
  "Beim Spielen mit dem Zufall entsteht so viel" -
  Ein Besuch bei der Modedesignerin Sylvia Heise
  Anziehungskräfte_ Theda Lindloff

     Begegnung
  Von dem Wunsch nachzufragen (und der Notwendigkeit es zu unterdrücken_ Andreas Gläßer
  "Drei plus drei plus zwei" -
  eine Liebeserklärung an Astor Piazzolla_ Henning Klose

     Zeitschnitt
  Der gefrorene Moment_ Alexander Glück
Wohin bringt uns der Retrotrend?_ Alexander Glück

Naturpackung
  An die Sonne_ Friedrich Schiller

Verführungstrunk
  Amida_ Achim Wannicke

Mysterium
  Kaffeesatz und Glasperlen, eine astrologische Kolumne_ Florian Euringer



Editorial

Die Zeitschrift Schöngeist erscheint zu einer Zeit, in welcher Magazine wie Pilze aus dem Boden schießen. Magazine, die dem Sinn einer neuen Generation nach anspruchsvoller und kreativer Aufbereitung moderner Lebenswelten in vielfältiger Weise Rechnung tragen.
Wozu also noch ein zusätzliches Magazin auf dem Markt? Noch dazu eines mit gnadenlos ästhetisierendem, teils verstaubt, teils provokant anmutendem Titel?
Das Projekt ist ein Versuch. Entstanden in idealistischer Träumermanier. Keinerlei Marktanalyse, keinerlei Befragung. Es brodelte und gärte vor sich hin - just nachdem es wie Phönix aus der Asche empor geschnellt war. Eine Versuchung des Augenblicks.
Und genauso präsentiert sich die Zeitschrift auch. Unvollkommen. Unfertig. Unrein. Und hat dennoch etwas zu sagen. All das, was Menschen wie du und ich in ihrem kleinen und doch so großen Leben von draußen und drinnen zu erzählen haben. Auf ihre eigene Weise. Denn dem Leben thematisch in all seiner Vielfalt persönlich zu begegnen, ist Anliegen dieser Zeitschrift.
Was hat das mit Schöngeist zu tun? Nun, der Name weckt Ambitionen. Zum Beispiel diese, romantisch zu sein. Idealistisch zu sein. Wahrhaftig zu sein. Schöngeister waren von jeher Menschen, die sich einem gewissen ästhetischen Grundgefühl verschrieben.
Auch wenn wir heute in einer westlichen, hochindustrialisierten Zivilisationsgesellschaft leben, fernab von idealistischer Romantik, bewahrt sich der einzelne Mensch gerade in dieser Gesellschaft persönliche Räume und Nischen, die seine Individualität zum Ausdruck bringen. Diese Individualität ist es, die schon immer eine bemerkenswerte Reibungsfläche innerhalb des aktuellen gesellschaftlichen Systems darstellte. Nur so wird es immer wieder möglich sein, dass einzelne Gruppen, Strömungen, Stile entstehen, die das Gesamtsystem unterlaufen und beeinflussen.
Der individuelle Raum für Schöngeister besteht konsequenterweise in dem Unterfangen, Schönheit zu erkennen und anzuerkennen. Doch was ist Schönheit? Diese Antwort zu finden mühten sich schon viele Denker. Je nach Blickwinkel gab es unterschiedliche Ansatzpunkte.
Da es nicht Anliegen der Zeitschrift sein kann, eine objektive Antwort auf die Frage zu liefern, kommt es ihr vielmehr darauf an, individuelle, subjektive Sichtweisen in den Raum zu stellen. Sichtweisen einer Art und Weise, dem Leben zu begegnen. Denn letztlich bleibt der Begriff des Schöngeistes ja nicht beim ‚Schönen' stehen, sondern trifft auf die Komponente des Geistes. Ein schöner Geist eben. Und ein schöner Geist existiert nicht aus sich selbst heraus. Er ist eng verwoben mit den Materialien des Lebens.
Das Leben ästhetisch einzufangen, bedeutet, es zuerst einmal wahrzunehmen und sich dieser Wahrnehmung nachhaltig bewusst zu werden. Auch Zwischenräumen, Subtilitäten, Verwobenheiten, Rätselhaftigkeiten genügend Spielraum zu gewähren.
Sodann meint ‚ästhetisch', Fragen zu stellen: Was bedeutet es ein menschliches Leben zu führen? Welcher Sinn steckt dahinter?
Diese Fragen erscheinen in ihrer Allgemeinheit so faszinierend wie unbeantwortbar.
Dennoch hält gerade das individuell gelebte Leben viele Antworten bereit. Was wir erkennen, sind immer nur Bruchstücke, Illusionen, Annahmen, die behalten oder verworfen werden können. Wir leben in Stimmungen, agieren und reagieren, wünschen und träumen, gehen vorwärts und rückwärts auf vor uns liegenden Wegen. Wir funktionieren mal mehr und mal weniger.
Die Zeitschrift setzt sich zum Ziel, diesen individuellen Gedanken, Wegen, Träumen Darstellungsfläche zu sein. Sie hält sich bewusst offen, um viele Splitter nebeneinander bestehen lassen zu können.
Und dennoch versucht sie, subtil zu verbinden und einen Rahmen zu schaffen, der da heißt, dem Leben aufmerksam und mit Bewusstheit zu begegnen. Auch, dem Unbewussten Raum zu geben und somit vor allem der Kunst Eintritt zu verschaffen.
Die Grundhaltung frönt einer essentiellen Freude am Leben, am Gestalten, am Genießen. Man genießt einen schönen Gedanken, eine schöne Idee, eine schöne Erkenntnis, ein schönes Bild, das vor Augen steht.
Und es gilt zu verdeutlichen, dass genau diese Grundhaltung auch dann und wann aufgebrochen werden kann und muss, um wahrhaftig zu bleiben.
Schöngeistige Menschen gibt es in allen Alters- und Berufsgruppen. Es ist ein Gefühl, dem einzelnen Augenblick im Leben Achtung zu verschaffen, ihn herauszuheben und letztlich all diese Augenblicke zu bewahren und in unterschiedlichen Konnotationen aneinander zu fügen. Individuell zu sein.
Die Versuchung des Augenblicks als erster thematischer Rahmen ergab sich somit ganz natürlich. Auch jede folgende Nummer wird ein Rahmenthema in den Mittelpunkt stellen.
Die Frage, ob Schöngeisterei mit elitärem Gehabe zu tun hat, lässt sich nun recht leicht beantworten. Wenn elitär sein bedeutet, das Leben aus einer herausgehobenen Position zu betrachten, die sich nicht auf sozialen Status beschränkt, dann ist jeder Schöngeist auch elitär. Denn dem Leben gegenüber kreativ zu sein, sich gestaltend wie beobachtend seiner bewusst zu werden und sich ihm zu nähern, impliziert, sich selbst herauszuheben - sich wie andere und anderes wichtig zu nehmen.

Tanja Porstmann


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