Liebe Leserinnen und Leser,
Eine Störung vollzieht sich an einem definierbaren Ort, in einem durch Raum und Zeit bestimmbaren System. Sie fördert durch bestimmte Einbrüche, Ausfälle, Einbußen, Hervortretungen die dahinter stehende Ordnung erst zutage. Solange alles funktioniert, ist es der Mensch zufrieden. Doch woran sich orientieren? Was ist ein funktionierendes System? Maschinen machen es uns einfach: Wenn sie gestört sind, gehen sie einfach kaputt. Sie werden repariert oder ersetzt und die Funktion geht weiter. Der Mensch und menschliche Systeme sind in ihrer Komplexität mit maschinellen Funktionsmechanismen niemals ausreichend zu erklären. Störungen hier wahrzunehmen, vor allem in den noch leichteren Stadien, erfordert Sensibilität und Kompetenz. Ein Mensch geht nicht einfach kaputt. Und dennoch nagen zahlreiche Störungen an Punkten, Flächen, Organen. Im Innen, im Außen, in der Kommunikation dazwischen. Bleiben diese Störungen unbeachtet, werden sie ignoriert, besteht auch hier die Möglichkeit, dass das System eines Tages versagt, zumindest ins Stocken gerät, sich überschlägt. Eine Störung ist dann so ausgeprägt, dass sie alles andere mit sich zieht und Schreck, Schock, Krankheit, Entbehrung, Krise folgen.
Es geht darum, den Blick auf das menschliche Leben auszuloten. Die Räume wahrzunehmen, in denen man sich befindet - gewissermaßen einen Orientierungssinn zu entfalten. Räume sind mit bestimmten Qualitäten verbunden und sie definieren sich durch Grenzen, die ihre Form beeinflussen und bestimmen. Den offenen Raum einzugrenzen bedeutet, Formen zu finden. Die Welt und mit ihr die Schöpfung steht in einem ständigen Formungsprozess - als eine formbare, in allseitiger Bewegung begriffene Masse. Die Grenzsetzung erfordert Gewichtung und Zentrierung im Zusammenhang mit einer bestehenden Vision, einer Vorstellung von dem, was erzeugt werden soll. Die Zeit steht immer mit auf der menschlichen Bühne, Systeme werden in Zeiträumen genutzt und verstanden.
Störungen der Nutz- und Verwertbarkeiten fordern heraus, die gelebten Formen in ihren Bestandteilen und Wirkmechanismen, in ihren Durchlässigkeiten zu reflektieren, nach ihren Grenzen, Kapazitäten und Tragfähigkeiten zu fragen. So liegt die eigentliche Chance aller Störungen und Krisen in ihrem Potential, zu sprengen, zu befreien, zu neuer Artikulation zu zwingen, zu neuen Horizonten aufzubrechen, Visionen zu entwickeln, sich an einstige Vorhaben zu erinnern, über Grenzen zu gehen.
Tanja Porstmann |